Überblicke mein Reich

Audiovisuelles Essay

Im Jahr 2011 sehe ich bei dem Fotografen Timo Ohler das Bild einer Frau aus Namibia. Er weiß nicht viel über sie, außer dass sie Hilde heißt und fließend Deutsch spricht. Aus irgendeinem Grund beschäftigt mich ihr Bild so sehr, dass ich beschließe, sie zu besuchen. Meine Unterkunft ist die Farm Etaneno, die Erwin Gebert gehört.

Erwin Gebert ist Deutscher und lebt in Namibia ein Leben, wie ich mir das eines Kolonialherren vorstelle. Er ist Herr über eine riesige Rinderfarm und missbilligt den Kontakt zwischen seinen Gästen und ‚den Schwarzen‘.
Hilde Ores aus dem Volk der Damara, die getrennt von ihrer Familie bei deutschen Siedlern aufwuchs, fühlt sich als Deutsche. Sie wohnt in einem Haus aus Lehm am Rande des Buschlands bei Kalkfeld und sehnt sich nach ihrem Leben bei ihrer ‚deutschen Familie‘ zurück.

Der starke Kontrast, den ich zwischen den beiden vermute, verwischt und Ähnlichkeiten treten hervor. Weder Hilde noch Erwin kommen mit ihrer deutschen Vergangenheit in Namibia an. Die Eine, weil sie nicht kann, der Andere, weil er nicht muss. Je mehr ich versuche, beider Lebensgeschichten zu begreifen, umso mehr verlaufe ich mich. Nachts überfallen mich rätselhafte Träume. Meine eigene Familiengeschichte, die von Migration und Fremdheit geprägt ist, treibt mich wieder um.

Da sagt Martin, mein Kameramann:
„Der Film braucht dich. Du bist die dritte Person darin.“

Meine Reise wandelt sich und gerät zu einer Suche nach Identitäten in der Fremde: Der zweier Menschen, die sowohl in ihrer eigenen als auch in der Kultur des jeweils Anderen unbehaust sind, und meiner eigenen.

Überblicke mein Reich – Filmstills

Auszüge aus Überblicke mein Reich – Erwin Gebert und Hilde Ores

Buch und Regie: Constanze Witt
Bildgestaltung: Martin Langner
Produktion: Gregor Streiber – inselfilm produktion

Titelfoto Hilde Ores: Timo Ohler